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Gibt es Alternativen zur Leitungszertifizierung im OT-Bereich?

29.09.2020
Gibt es Alternativen zur Leitungszertifizierung im OT-Bereich?

Die Überprüfung der Funktionsfähigkeit neuverlegter Kabel und Leitungen ist sowohl im IT- als auch OT-Bereich gängige Praxis. Jedoch wurde die Leitungszertifizierung in ethernetbasierten Netzwerken, wie PROFINET, in der Vergangenheit schon öfter kritisch hinterfragt. Doch woran liegt das eigentlich?

Die IT machts vor, die OT nach?

Um die Kritiker der OT-Leitungszertifizierung besser zu verstehen, empfiehlt sich zunächst ein Blick auf den deutlich älteren IT-Bereich. Wird beispielsweise ein Gebäude errichtet, werden Netzwerkleitungen i. d. R. bereits während der Bauphase fest verlegt. Da diese Netzwerkleitungen in den meisten Fällen in verschlossenen Kabelkanälen "verschwinden", sind diese bei Inbetriebnahme des Gebäudes und somit des Netzwerks nicht mehr zugänglich. Aus diesem Grund wird direkt nach der Installation der Leitungen eine Zertifizierung durchgeführt, um die Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Da die Leitungen im Gebäude starr verlegt und vor nahezu allen Umwelteinflüssen geschützt sind, ist keine erneute Leitungsprüfung notwendig. Kurzum: die IT-Leitungszertifizierung macht durchaus Sinn.

Spiegelt man diese bewährte Vorgehensweise auf den OT-Bereich werden deutliche Unterschiede sichtbar. Anders als im IT-Bereich werden OT-Netzwerke meist direkt nach der Installation in Betrieb genommen und genutzt. Auch bei der Art der Leitungsverlegung gibt es einen essentiellen Unterschied. Alle Leitungen müssen bei Bedarf austauschbar (beispielsweise bei einem Retrofit) oder flexibel (u. a. bei bewegten Anlagenstrecken) verlegt sein. Somit liegen industrielle Datenleitungen in der Regel nicht in fest verschlossenen Kanalschächten oder Wänden. Zwar kann so leichter nachgebessert werden, jedoch unterliegen OT-Netzwerkleitungen dadurch einer Alterung durch Biegebeanspruchung, Vibrationen, Schmiermitteln und anderen Umwelteinflüssen, welche es im IT-Bereich in der Regel nicht gibt.

Leitungszertifizierung: nur eine Momentaufnahme

Ein weiterer Kritikpunkt der Leitungszertifizierung im Anlagenbereich ist die einmalige Überprüfung. Die Leitungsprüfung stellt nur eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt der Messung dar. Es ergeben sich keine verlässlichen Anhaltspunkte über die künftige Entwicklung der Leitungsqualität. Vielmehr droht die Gefahr eines falschen Sicherheitsgefühls. Insbesondere, da zur Zertifizierung die reale Verkabelung getrennt werden muss, um das erforderliche Messgerät anschließen zu können. Fehlerhafte Arretierungen zwischen Stecker und Buchse können z. B. beim Wiederanstecken nicht festgestellt werden.

Ohne Leitungsprüfung geht es nicht

Trotz allem kann auf eine Überprüfung der Netzwerkleitungen nicht verzichtet werden. Dass enorme Fehlerpotenzial defekter Steckverbindungen wird beispielsweise in unserem diesjährigen VORTEX Report deutlich. Bei etwa jedem fünften Messeinsatz waren fehlerhafte Steckverbindungen Teil- oder Hauptursache der Anlagenstörung.

Eine einmalige Leitungszertifizierung bietet keine ausreichende Sicherheit – trotz des relativ hohen Zertifizierungsaufwandes. Aus diesem Grund ist eine unkomplizierte und dauerhafte Kontrolle der Leitungswege sinnvoll. Um jedoch personelle Aufwände und wartungsbedingte Stillstände (bspw. zur manuellen Leitungsprüfung) zu reduzieren, ist die Implementierung der Leitungsüberwachung in fest verbaute Infrastrukturkomponenten die praktikabelste Lösung. Industrial Switches, wie der PROmesh P10, eignen sich hierfür besonders. Dank der zentralen Rolle als Datenkreuzung sind Industrial Switches die ideale Netzwerkkomponente, um angeschlossene Leitungen automatisch zu prüfen und zu überwachen.

Online-Leitungsdiagnose: Alternative mit Mehrwert

Das Beispiel des PROmesh P10, einem PROFINET-/Ethernet-Switch der neusten Generation macht es vor. Ausgestattet mit einer innovativen Online-Leitungsdiagnose prüft und überwacht er angeschlossene Leitungen, inklusive Steckverbindungen, im laufenden Betrieb. Ohne separate, manuelle Arbeitsschritte ist man somit jederzeit in der Lage den Zustand der Datenleitung und der Übertragungsqualität zu treffen. Kurzum: Datenleitungen können gezielt verschleißbedingt ausgetauscht werden. Dadurch werden Instandhaltungsaufwände reduziert und Kosten für den unnötigen Austausch noch funktionsfähiger Leitungen vermieden. Gleichzeitig steigert die lückenlose Kontrolle der Übertragungsqualität die Verlässlichkeit des Netzwerks und somit aller darin ablaufenden Prozesse. Das alles beschleunigt die Inbetriebnahme Neuanlagen, die messtechnische Kontrolle ausgetauschter Leitungen und alle damit verbundenen Instandhaltungsaufgaben.